Erläuterungen zum chinesischen Arbeitsvertragrecht
von Adam Livermore
12. Januar – Eigentlich ist das chinesische Arbeitsvertragsrecht sehr eindeutig, wenn es um die Behandlung von Arbeitnehmern geht. Dennoch scheint es bei einzelnen Aspekten des Arbeitsvertragrechtes immer wieder zu Missverständnissen zu kommen. Interpretiert man als Arbeitgeber die Gesetze falsch, oder lässt sich von weitverbreiteten Gerüchten irreführen, kann dies zu teuren Kompensationszahlungen führen. Um dies zu vermeiden, haben wir Ihnen im Folgenden die vier am häufigsten vorkommenden Missverständnisse und die aktuelle Rechtslage aufgeführt.
1. Mißverständnis: Mitarbeitern, die das Ende ihres befristeten Vertrages erreichen, muss keine Entschädigung gezahlt werden, wenn sie einseitig von ihrem Arbeitgeber entlassen werden.
Rechtslage: Mitarbeiter haben in einem solchen Fall Anspruch auf eine Entschädigungszahlung. Ein Betrag in der Höhe eines Monatsgehaltes muss für jedes Jahr gezahlt werden, in dem der Mitarbeiter für das Unternehmen gearbeitet hat. Die Berechnung der Arbeitsjahre beginnt vom 1. Januar 2008, da zu diesem Zeitpunkt das neue Arbeitsvertragsgesetzt eingeführt wurde. Das bedeutet, dass sich der höchst mögliche Betrag einer Ausgleichszahlung an einen Mitarbeiter, der das Ende seines befristeten Arbeitsvertrages erreicht, derzeit auf zwei Monatsgehälter beläuft. Die Berechnung des Monatsgehaltes basiert auf der durchschnittlichen monatlichen Entlohnung, die vom Arbeitnehmer in den letzten zwölf Monaten empfangen wurde, inklusive Boni und Zulagen. Die Entschädigung ist auf 300 Prozent des durchschnittlichen Gehaltes in der Stadt, in der der Arbeitnehmer beschäftigt ist, beschränkt.
2. Mißverständnis: Beendet der Arbeitgeber den Vertrag des Arbeitnehmers einseitig ohne triftigen Grund, dann ist die Verbindlichkeit des Arbeitgebers auf den doppelten Betrag der zu zahlenden Entschädigung beschränkt, welche unter der Bedingung, dass die Kündigung in Übereinstimmung mit dem Gesetz erfolgte, zu zahlen ist.
Rechtslage: Dieses weit verbreitete Missverständnis ist aus Artikel 87 des Arbeitsvertragsgesetztes hervorgegangen. Dieser besagt, dass der Arbeitgeber gegen das Gesetz verstoßen kann und trotzdem nur für eine doppelte Entschädigung nach den Bestimmungen des Artikels 47 (der die verpflichtenden Entschädigungsstandards festlegt) aufkommen muss.
Eine weitere Betrachtung des Gesetzes offenbart Artikel 48. Dieser Artikel sieht vor, dass, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag beendet und dabei gegen das Gesetz verstößt, der Arbeitnehmer auf den weiteren Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bestehen kann. Nur wenn der Arbeitnehmer nicht auf eine Weiterführung des Vertrages besteht oder wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses “unmöglich” ist, muss das Unternehmen eine doppelte Abfindung an den Arbeitnehmer zahlen.
Folglich können die potentiellen Kosten des Arbeitgebers in der Tat viel höher sein. Zu den Bestandteilen gehören:
- Die Zahlung des Gehaltes für den Rest der Vertragslaufzeit (nicht auf 300 Prozent der durchschnittlichen Gehaltsvorgabe begrenzt)
- Gesetzlich geregelte Entschädigung am Ende der Vertragslaufzeit
- Alle entstandenen Gerichtskosten
3. Mißverständnis: Den Arbeitnehmern keine schriftlichen Arbeitsverträge bereitzustellen, kann von Vorteil für den Arbeitgeber sein.
Rechtslage: Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Den Arbeitgebern sollte bewusst sein, dass das Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag, an dem der Arbeitnehmer in dem Unternehmen arbeitet, gültig ist und nicht ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages.
Nach dem Arbeitsvertragsrecht muss ein Arbeitgeber sicherstellen, dass er einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit jedem Mitarbeiter innerhalb des ersten Monats nach Arbeitsbeginn des Mitarbeiters geschlossen hat. Dies ist wichtig, denn wenn ein solcher Vertrag nach dem Ende des ersten Monats nicht vorhanden ist, dann hat der Arbeitnehmer ein Recht darauf, das doppelte Gehalt für den Zeitraum zu verlangen, in dem das Unternehmen keinen Vertrag bereitgestellt hat.
Wenn das Unternehmen versäumt einen solchen Vertrag innerhalb des ersten Jahres des Arbeitsverhältnisses abzuschließen, kann dieser ein doppeltes Gehalt für die vorangegangenen elf Monate verlangen und auch auf einen nicht befristeten Vertrag mit dem Unternehmen bestehen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit verliert den Vertrag des Mitarbeiters am Ende der befristeten Vertragslaufzeit aufzulösen.
4. Mißverständnis: Unternehmen können ihr gesamtes Personal durch Vermittler einstellen (eine Vorgehensweise, die in China als paiqian bekannt ist), anstatt direkte Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern abzuschließen.
Rechtslage: Nach Artikel 66 des Arbeitsvertragsgesetztes sollten in der Regel nur “Zeit-, Ersatz- oder Nebenarbeiten” von Mitarbeitern besetzt werden, die durch Agenten eingestellt werden. Jedoch wurden von der Regierung bis jetzt noch keine Durchführungsbestimmungen herausgegeben, die die Definition dieser Bedingungen erklärt. Unternehmen, die den größten Teil ihrer Angestellten durch Vermittlungsagenturen anstellen, bewegen sich in der Grauzone des chinesischen Gesetzes. Die Situation ist im Bezug auf die Frage der Einhaltung und der möglichen Verbindlichkeiten unklar.
Alle Arbeitnehmer auf diese Weise einzustellen ist ein unnötiges Risiko, da es keinen effektiven Vorteil gibt, wenn man erfahrende Angestellte auf diese Weise beschäftigt. Tatsächlich wird die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer einen direkten Vertrag mit dem Arbeitgeber vorziehen.
Für weitere Informationen zu den Themen Arbeitsrecht und Vertragsgestaltung senden Sie eine Email an Olaf.Griese@dezshira.com oder an Richard.Hoffmann@dezshira.com
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