Die Wahl des passenden Beschaffungsmodelles

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11. Juli – Obschon jede der im letzten Artikel zu Beschaffungsmodellen erwähnte rechtliche Struktur Grundstein einer erfolgreichen Beschaffungsstrategie in China sein kann, fällt es insbesondere Unternehmen ohne China-Erfahrung schwer den optimalen Lösungsansatz zur Unterstützung ihrer Beschaffungsaktivitäten in China zu finden. In Anbetracht der Anzahl an Agenten mit Bezug zu Beschaffungsdienstleistungen oder B2B Online-Plattformen, welche direkten Kontakt zu Lieferanten gewährleisten, scheint die Anstellung eines ebensolchen Agentens oftmals vielsprechend.

Wenngleich die Verwendung eines Agenten oftmals reibungslos funktioniert, errichten viele KMUs permanente Niederlassungen, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wertschöpfungsketten zu erhöhen. Eine Niederlassung vor Ort erlaubt einerseits eine bessere Kontrolle der Wertschöpfungskette, als auch die Möglichkeit Dienstleistungen für Kunden zu erbringen, welche sich ebenso in China ansiedeln.

Bei der Evaluierung des optimalen Geschäftsmodells in China ist es deshalb notwendig eine ausführliche Abwägung der Möglichkeiten zu Verfügung stehender Optionen und den primären Bedürfnissen der Beschaffungsaktivitäten vorzunehmen. Ein KMU-Unternehmen ohne Kenntnisse des chinesischen Markts präferiert möglicherweise eine Repräsentanz aufgrund der geringen finanziellen Risiken, wohingegen der breiter fassbare Geschäftszweck und die operationale Flexibilität einer Aktiengesellschaft gleichwohl verlockend wirken können. Ein ausländisches Unternehmen dahingegen, welches seit Jahren direkt Güter aus China bezieht, plant eventuell die Errichtung eines Handelsunternehmens (FICE), um eine erhöhte Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu erlangen, wird aber gegebenfalls von der operationalen Komplexität einer solchen Niederlassung abgeschreckt. Denn sobald ein Handelsunternehmen in Exportaktivitäten involviert ist, unterliegt es dem komplexen, chinesischen Mehrwertsteuersystem und muss sich den Zollanforderungen fügen.

Nachfolgend behandeln wir einige Aspekte mit welchen sich ausländische Unternehmen bei der Auswahl einer formalen Struktur in China üblicherweise konfrontiert sehen und vergleichen operationale Differenzen unterschiedlicher Strukturen.

Ausgleich zwischen registriertem Kapital und Geschäftszweck

Viele Käufer tendieren einzig aus dem Grund zur Verwendung einer Repräsentanz, da kein Kapitaltransfernach China erforderlich ist. Deshalb wird die Struktur einer Repräsentanz häufig als günstige, sichere und beste Option einer chinesischen Niederlassung betrachtet, solange der Hauptzweck lediglich darin besteht die Marktattraktivität abzuschätzen oder die Wertschöpfung im Rahmen der Beschaffungsaktivitäten der ausländischen Muttergesellschaft zu erhöhen.

Die Auslagen einer Repräsentanz werden in regelmässigen Abständen, üblicherweise monatlich oder vierteljährlich, direkt von der Muttergesellschaft finanziert. Dahingegen finanzieren sich Dienstleistungs- oder Handelsunternehmen größtenteils über das registrierte Kapital, dessen Einzahlung zu Beginn der Aufnahme der Geschäftstätigkeiten erfolgt. Das Konzept des registrierten Kapitals ist nicht deckungsgleich mit der Einzahlung von Aktienkapital in westlichen Unternehmen. Das registrierte Kapital wird nicht wie das Aktienkapital geseztlich vorgeschrieben zur Seite gelegt, sondern tatsächlich dazu verwendet operative Auslagen zu begleichen. Der Begriff ähnelt deshalb eher dem im Westen gebräuchlichen Begriff „Working Capital“.

Die Kosten zur Finanzierung der Geschäftstätigkeiten variieren folglich zwischen Repräsentanz, Dienstleistungs- und Handelsunternehmen. Eine Repräsentanz wird auf Basis ihrer Auslagen besteuert, wohingegen Dienstleistungs- und Handelsunternehmen ihre Auslagen vom Ertrag subtrahieren und Gewinnsteuern zahlen. Deswegen sind die erläuterten Vorteile einer Repräsentanz im Hinblick auf die geringen Kapitalanforderung lediglich realisierbar, solange der Umfang der Geschäftsaktivitäten ausreicht die Expansion der China-Aktivitäten des Unternehmens weiter voranzutreiben und dabei gleichzeitig die Kosten der Finanzierung im Hinterkopf behalten werden.

In Anbetracht dessen sind Unternehmen bei der Wahl ihres Beschaffungsmodells gut beraten zumindest die kurz- bis mittelfristige Strategie im chinesischen Markt zu berücksichtigen. Die erwartete Höhe der Ausgaben, als auch das erwünschte Ausmaß einer allfälligen Expansion sollte bekannt sein. Tatsächlich sind so manche Unternehmen, welche derzeitig den Prozess einer formalen Unternehmensregistrierung in China durchlaufen bereits mit dem Marktumfeld und den Lieferanten vertraut. Viele Unternehmen konnten bereits stabile Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten aufbauen, oder arbeiteten über die letzten Jahre hinweg auf einer informellen Basis in China. Ist dies der Fall erweist sich der breitere Umfang an möglichen Geschäftsaktivitäten einer Dienstleistungs- oder Handelsgesellschaft als deutlich vielversprechender als die „günstige“ und „sichere“ Variante einer Repräsentanz.

Für die oben erwähnte Art von Unternehmen ist ein Handelsunternehmen (FICE) in der Regel die bevorzugte Variante, weil seine Struktur den größten Umfang an Beschaffungsaktivitäten zulässt (inklusive Import/Export, inländischer Käufe in RMB, Retail, Wholesale, E-Commerce, Erbringung von Dienstleistungen, etc.). Darüberhinaus sind einige kleinere chinesische Zulieferer nicht willens Transaktionen in ausländischer Währung vorzunehmen. Das heisst, die Wahl der Struktur eines Handelsunternehmens erweitert zudem den Kreis potentieller Lieferanten, da Rechnungen in lokaler Währung beglichen werden können. Der relativ breite Umfang an möglichen Geschäftstätigkeiten geht allerdings auch mit der erforderlichen Höhe des zu registrierenden Kapitals einher (die Mindestbeträge werden von den chinesischen Behörden gefordert und unterscheiden sich nach Region).

Ebenso bietet die Wahl eines Dienstleistungsunternehmens spezifische Vorzüge, insbesondere für Unternehmen die sich eine einfachere Struktur wünschen. Da es einem Dienstleistungsunternehmen nicht gestattet ist mit Gütern zu Handeln sind die Ansprüche an die Compliance in der Regel gering, zudem kann ein Dienstleistungsunternehmen die Rolle eines Qualitäts-Kontrolleurs oder Dienstleistungsagenten für die Muttergesellschaft übernehmen. Obschon unter der Verwendung einer Repräsentanz prinzipiell das gleiche Modell adoptiert werden kann, verfügt die Variante der Repräsentanz nicht über die Möglichkeit Kommission oder andere Einkommen im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen in Rechnung zu stellen. Für High-Tech Unternehmen kann es sich beispielsweise als vorteilhaft erweisen über die Möglichkeit zu verfügen gegenüber ihren Kunden technische Dienstleistungen zu erbringen und diese auch in Rechnung zu stellen. Als solches kann die Variante der Errichtung eines Dienstleistungsunternehmens gegenüber einer Repräsentanz steuerliche Vorteile bringen.

Kontrolle der Wertschöpfungskette vs. Human Resources Risiken

Um ein akzeptables Niveau an Liefersicherheit und Produktqualität zu garantieren, würden ausländische Einkäufer idealerweise zuverlässiges Personal vor Ort einstellen. Dieses könnte Qualitätskontrollen, Beziehungen zu Lieferanten, Preisverhandlungen, Auswahl von Lieferanten und Marktforschungregeln. Während sich die chinesischen Märkte stetig weiterentwickeln und sich der Preiswettbewerb fortlaufend verschärft, stellt sich für Unternehmen ohne physische Präsenz in China zusehends die Frage, inwiefern Beziehungen zu ihren Lieferanten über die beträchtliche geographische Distanz hinweg aufrecht erhaltbar sind, oder ob eine erhöhte operative Kontrolle notwendig ist um kompetitive Preise zu erzielen. Insbesondere eine angemessene Kontrolle von Risiken mit Bezug zum Personalwesen bereitet vielen Unternehmen Sorge.

Genau genommen erlaubt es der chinesische Staat ausländischen Unternehmen nicht lokale Arbeitskräfte einzustellen, solange das Unternehmen nicht über eine rechtliche Struktur in China verfügt. Eine praktische Barriere ist beispielsweise die Verweigerung des korrekten Arbeits-Visums für ausländischen Arbeitskräfte seitens der chineischen Behörden, solange sich nicht eine lokale Entität findet die als Auftraggeber auftritt. Zusätzlich ist es ausländischen Firmen formal nicht möglich Einzahlungen in die Sozialversicherungen vorzunehmen, was die Menge an talentierten chinesischen Arbeitsnehmern die willens sind in ein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen einzutreten einschränkt. Darüberhinaus bestehen rechtliche und steuerliche Risiken, sowohl für den Arbeitnehmer und Arbeitgeber, falls keine lokale Niederlassung besteht. Weitere Informationen hierzu finden Sie in der Mai Ausgabe des China Briefing Magazins: „Permanente Niederlassungen in China verstehen“.

Sämtlichen in diesem Artikel thematisierten Unternehmensformen ist es möglich in China lokale Mitarbeiter einzustellen. Gewisse Einschränkungen mit Bezug zu Repräsentanzen wurden im vorhergehenden Artikel dargestellt. Chinesische Führungskräfte verfügen über die Auffassung, dass direkte Arbeitsverhältnisse stabiler sind und erhöhte Sicherheit bieten. Das Geschäftsmodell vieler in Beschaffungsaktivitäten involvierter Unternehmen bedingt die Entsendung der Mitarbeiter an diverse Standorte (z.B. zu der Fabrik vor Ort, Reisen für Qualitätskontrollen, oder für die Übersicht kurzfristig bestehender Projekte). Da die chinesischen Sozialversicherungen nach wie vor auf regionaler Ebene organisiert sind variieren Beiträge und Praktiken je nach Städten. Die korrekte Begleichung von Sozialversicherungsbeiträgen über verschiedene Regionen hinweg bereitet deshalb so manchen Arbeitgebern Kopfzerbrechen. Solche Themen müssen auf jeden Fall berücksichtigt werden bevor man sich definitiv für eine Struktur entscheidet.

Komplexität, Compliance und Steuer-Effizienz

Die fortlaufende Globalisierung und die damit steigende Wettbewerbsfähigkeit anderer Zulieferer-Nationen neben China verleihen der Struktur des Handelsunternehmens (FICE) zusätzliche Legitimation, weil sie sowohl ein- und ausgehende Warenströme ermöglicht. Viele KMUs beginnen China als Hub zur Koordination der Beschaffungsaktivitäten im asiatischen Raum zu verwenden. Denn Chinas Infrastruktur wird gegenüber anderen Ländern wie Indien, Indonesien oder Thailand generell als fortschrittlich und effizient betrachtet. Die Struktur des Handelsunternehmens erlaubt es Unternehmen zudem Potentiale zu entdecken und dieProdukte an den lokalen Markt zu anzupassen. Nicht selten entscheiden sich ausländische Investoren, welche ihre Beschaffungsaktivitäten im Rahmen eines Handelsunternehmens vornehmen zu einer Restrukturierung ihrer Aktivitäten, um die Chancen des lokalen Marktes zu erschliessen. Die Organisation der Beschaffungsplattform als Handelsunternehmen ist deshalb ein perfekter Ausgangspunkt für Retail oder Wholesale Aktiviäten in China.

Dennoch muss bedacht werden, dass die erhöhte Flexibiliät und Komplexität der FICE Struktur, im Vergleich zu den zwei anderen Modellen, ebenso zu höheren Anforderungen bezüglich steuerlicher und operationaler Compliance führt. Das Beantragen von MWST-Export-Rabatten, Sicherstellung des Erhalts sämtlicher MWST-Fapiaos und deren Gültigkeit, Handhabung ausgestellter Rechnungen und MWST-Abzügen, regelmässige Kontrolle des Inventars, der Umgang mit Import und Export Zöllen sind erforderliche Tätigkeiten, sobald eine FICE-Struktur angewendet wird. Bei der Errichtung eines erfolgreichen Geschäfts sind deswegen sowohl kompetente interne Mitarbeiter, als auch die Unterstützung eines zuverlässigen externen Beraters wesentliche Vorraussetzungen.

Das korrekte Nachkommen steuerlichen Pflichten ist von Bedeutung, weil die chinesischen Behörden die Aktivitäten ausländischer Unternehmen genaustens unter die Lupe nehmen. Aus diesem Grund müssen ausländische Firmen über die auf die jeweilige Unternehmensform angewendeten Steuern Bescheid wissen. Im Hinblick auf Transfer-Preise gilt es zu beachten, dass jedes Jahr Belege der Verkäufe zwischen der Firma und ihrer Muttergesellschaft erstellt werden müssen.

Schlussfolgerung

Die Auswahl einer optimalen Struktur für die Beschaffungsaktivitäten hängt größtenteils von zwei Faktoren ab: Kosteneffizienz und der Erfordernis lokaler Arbeitskräfte. Ist es nicht notwendig Mitarbeiter in China vor Ort zu haben, bietet es sich aus steuertechnischen Gründen an die Beschaffungsaktivitäten aus dem Ausland vorzunehmen. Diesem Ansatz haften jedoch ebenso die größten Risiken bezüglich Kontrolle über Qualität und Preis an. Benötigt ein Unternehmen eine beschränkte Anzahl Mitarbeiter vor Ort erlangt die Variante der Repräsentanz aufgrund ihrer Einfachheit und relativ geringen Anforderungen an Compliance an Berechtigung.

Firmen die sich von ihrer Niederlassung in China mehr versprechen als lediglich das Vornehmen von Beschaffungsaktivitäten sollten die Errichtung einer FICE-Struktur in Betracht ziehen. Denn dieses Modell bietet das grösste Potential zur Stärkung der Kontrolle über die eigene Wertschöpfungskette und Minimierung von Risiken. Nicht ganz so effizient, aber ebenfalls anwendbar ist in diesem Fall die Variante des Dienstleistungsunternehmens. Die Variante dieser Rechtsform stellt auch eine optimale Lösung dar, wenn ein Unternehmen nicht willens ist sich mit dem chinesischen Mehrwertsteuerstystem und anderen Anforderungen an Compliance auseinanderzusetzen.

An dieser Stelle soll abermals darauf hingewiesen werden, dass es nicht einen einzig richtigen Weg zur Ausgestaltung der Beschaffungsaktivitäten gibt. Sowohl die einfache Struktur einer Repräsentanz, als auch eine Kombination der unterschiedlichen Varianten innerhalb eines multinationalen Beschaffungssystems kann sich im Einzelfall als geeignet erweisen. Die letzere Version erweist sich für viele KMUs aufgrund limitierter Ressourcen als unrealistisch. Realistischer ist eine Transformation vom einfachen zum komplexeren Ansatz im Verlauf der Zeit. Unabhängig von der gewählten Strategie sollte die Muttergesellschaft die Performance ihrer Beschaffungs-Stellen in regelmässigen Abständen überprüfen um wettbewerbsfähig zu bleiben.

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Fabian Knopf, Sr. Associate, Co-Head of German Desk, Dezan Shira & Associates
Fabian.Knopf@dezshira.com

Silke Neugebohrn, Sr. Associate, Co-Head of German Desk, Dezan Shira & Associates
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Weiterführende Lektüre (auf Englisch):

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