China nach Aufstieg als ausländischer Direktinvestor zum ersten Mal unter den weltweiten Top 10

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Steigendes chinesisches Selbstbewusstsein auch in der Außenwirtschaft spürbar

von Ersan Yükyapan

27. Mai – Die Öffnung Chinas für ausländische Direktinvestitionen war ein entscheidender Faktor für die beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung des Landes in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Der Durchbruch kam 1989 als Deng Xiaoping China für weitere ausländische Direktinvestitionen öffnete, was zu einem rasanten Wachstum der Investitionen aus Taiwan, Hong Kong, Nordamerika und Europa führte. Zu dieser Zeit brachten ausländische Investoren benötigtes Kapital, sowie technisches und betriebswirtschaftliches Know-how in das Land. Durch Chinas Eintritt in die WTO im Jahr 2001, wurde dieser Trend beschleunigt.

Chinesische Unternehmen demonstrierten allerdings in den letzten 25 Jahren nur bedingtes Interesse und Motivation, selbst im Ausland als Investor tätig zu werden. Volkswirtschaftliche Gründe, wie die Aufwertung des chinesischen RMB im Vergleich zu anderen Leitwährungen und der steigende Wettbewerb in China, änderten diese Sichtweise der chinesischen Unternehmen. Durch Investitionen im Ausland wollen chinesische Unternehmen einerseits ihren Horizont hinsichtlich neuer Technologien und Kompetenzen erweitern und andererseits ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten testen und steigern.

Für den Anstieg chinesischer Direktinvestitionen im Ausland sind insgesamt vier Hauptmotive verantwortlich:

  • Sicherung natürlicher Ressourcen
  • Aufbau neuer Geschäftsfelder
  • Beschaffung strategischer Ressourcen
  • Verbesserter Ablauf grenzüberschreitender Geschäftsaktivitäten

 

Die Sicherung von natürlichen Ressourcen – Fähigkeit den eigenen Bedarf an Rohstoffen für das Wirtschaftswachstum zu decken

Vor allem staatliche Unternehmen haben großen Anteil an den chinesischen Direktinvestitionen ins Ausland. Durch Chinas schnelle Urbanisierung und das rasante Wirtschaftswachstum, sollte der Ausbau der Schwerindustrie, sowie die Erhöhung der Kapazitäten bei der Förderung von Öl, Eisenerz, Kupfer und anderen wichtigen Rohstoffen vorangetrieben werden. Dadurch wollte die chinesische Wirtschaft in der Lage sein, ihren Bedarf an den Zutaten, die für das Wirtschaftswachstum gebraucht werden, eigenständig zu decken. Das Land wollte durch mögliche Fluktuationen an den Rohstoffmärkten nicht in ihrem Wachstum gestört werden. Zusätzlich erwarben chinesische Unternehmen deshalb weltweit Aktienpakete um Lieferrisiken bei den Rohstoffen zu diversifizieren. Auf diese Weise sollte gegenüber ausländischen Interessen für mehr Einfluss bei Verhandlungen gesorgt werden. Das Land wollte zudem durch diese Strategie in genau die hochprofitablen Geschäften mit einsteigen.

Der Aufbau neuer Geschäftsfelder – steigende Konkurrenz in den traditionellen Exportmärkten

Der Aufbau neuer Geschäftsfelder der chinesischen Unternehmen durch Direktinvestitionen ins Ausland ist momentan international verglichen noch gering. Unternehmen in China konnten ihren Umsatz bisher relativ problemlos aus dem wachsenden inländischen Kundenstamm generieren. Mögliche Kunden, die außerhalb der erstrangigen Städten des Landes wohnten, wurden zu Beginn dieser Zeit wenig berücksichtigt. In den zweit- und drittrangigen Städten gibt es aber seit einigen Jahren durch eine wachsende und wohlhabende Mittelschicht, enormes Potential für den Absatz von Produkten. Die Möglichkeiten zum Wachstum sind deshalb enorm und noch lange nicht erschöpft. Chinesische Unternehmen können eine Erhöhung des Verkaufsvolumen dann einfach durch die Ausweitung des Vertriebsnetzwerkes und durch eine gute Vermarktung ihrer Produkte schaffen.

Chinas Eintritt in die WTO ermöglichte den Unternehmen Produkte im Ausland mit weniger Aufwand als vor dem Beitritt zu verkaufen. Allerdings können sich chinesische Unternehmen nicht für immer auf diese Strategie verlassen, denn Chinas traditionelle Exportmärkte sind gekennzeichnet von Handelsschranken und steigender Konkurrenz, zum Beispiel durch neu auftauchende Billigproduzenten aus anderen Ländern, wie zum Beispiel in der Textilbranche und der Elektronik.

Beschaffung von strategischen Ressourcen – chinesische Unternehmen erhöhen Wettbewerbsfähigkeit durch den Kauf  internationaler Marken und Technologien

Die steigende Konkurrenz im heimischen und internationalen Markt führt zur Neuorientierung der Strategien chinesischer Unternehmen. Die Beschaffung von strategischen Ressourcen gewinnt dadurch immer mehr an Bedeutung. Chinesische Unternehmen wollen mit anderen Multinationalen Unternehmen (MNCs) gleichziehen. Sie wollen das zum Beispiel durch den Kauf von Marken, Technologien und anderen Vermögenswerten erreichen. Durch den Kauf von existierenden ausländischen Marken oder existierenden Technologien, können chinesische Unternehmen direkt im ausländischen Markt agieren, dort mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten und an Erfahrung gewinnen. Die Akkumulation dieses Wissens durch eine andere Strategie, wie zum Beispiel durch Greenfield-Investments von chinesischen Unternehmen im Ausland, ist schwerer durchführbar. Eine solche Strategie benötigt Planung und Wissen, welches jetzt über den zu erschließenden Markt vielleicht noch fehlt. Die Beschaffung von strategischen Ressourcen hingegen, wie Technologien oder Marken, bringt chinesische Unternehmen näher an diese ausländischen Märkte und steigert ihre Konkurrenzfähigkeit vor Ort. Das hat positive Effekte zur Folge, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene.

Verbesserung von grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten – Erhöhung der globalen Effizienz

Chinesische Unternehmen investieren in Hong Kong und anderen Jurisdiktionen, um ihre Effizienz bei globalen Operationen zu steigern, und um die legalen und finanziellen Strukturen ihrer Investitionen für internationale Geschäftsaktivitäten zu optimieren. Chinas altes Wirtschaftsmodel beruhte hauptsächlich auf Investitionen in Exportindustrien, welches zu einen großen Plus in der Handelsbilanz mit anderen Ländern führte. Der neue Schwerpunkt liegt beim steigenden Binnenkonsum, der durch das gestiegene durschschnittliche Haushaltseinkommen viel Potential entwickelt hat. Zukünftiges Wachstum wird nicht in der Produktion stattfinden, sondern aus attraktiven Mehrwertdiensten des Produktionssektors, sowie durch technologische Aufrüstungen generiert.

Ein anderer wichtiger Faktor der wirtschaftlichen Neuorientierung ist die Aufwertung der unterbewerteten chinesischen Währung im Vergleich zu den anderen Währungen. Ein stärkerer RMB würde bedeuten, dass Übernahmen von ausländischen Unternehmen kostengünstiger durchgeführt werden können. Dieser Faktor ist ein zusätzlicher Anreiz und eine wichtige Entwicklung für chinesische Unternehmen, um auf den internationalen Markt mitzuspielen. Des Weiteren verfügt China über ein enormes Volumen an Kapitalvermögen und ausländischen Währungsreserven, welches für Investitionen im Ausland genutzt werden kann.

USA

Die Wachstumsrate von Chinas jährlichen Investitionen im Ausland, zwischen den Jahren 2004 und 2008, betrug zusammengenommen 130 Prozent. Im Jahr 2009 war Chinas Volumen bei Direktinvestitionen im Ausland aufgrund der Unsicherheit durch die weltweite Finanzkrise niedriger als in den vorherigen Jahren. Chinas Wachstum bei Direktinvestitionen ins Ausland, blieb allerdings auch nach der globalen Finanzkrise stabil.

In den USA kann beispielsweise auf der einen Seite ein Rückgang chinesischer Greenfield-Investments beobachtet werden, auf der anderen Seite aber ein Anstieg der Aktivitäten im Fusions- und Akquisitionsgeschäft.

Im Bereich des Greenfield-Investments sind chinesische Unternehmen in hochentwickelten und anspruchsvollen Industrien aktiv, wie der Kommunikationsausrüstung, erneuerbaren Energien, Biotechnologie, Raumfahrt und Pharmazie.

Bei Fusions- und Akquisitionsgeschäften sind chinesische Unternehmen nicht auf bestimmte Industrien konzentriert, sondern sie investieren eher in ein breites gewerbliches Spektrum. In 11 Industrien in den Vereinigten Staaten, wurden jeweils Deals der Chinesen abgeschlossen, die ein Investitionsvolumen von mindestens US-Dollar 200 Millionen besaßen. Ein Drittel davon wurde im Servicesektor investiert und zwei Drittel im Industriesektor, beispielsweise bei Industriemaschinen und Anlagen für Elektronik, Ölförderung, Gasförderung, regenerative Energien, Metalle, Medizintechnik und Kohle. Chinas größter Vorteil in den Vereinigten Staaten besteht in den Industrien, in denen China Wettbewerbsvorteile im eigenen Land gegenüber ausländischen Konkurrenten hat, wie zum Beispiel bei Haushaltsgeräten, dort gibt es Marken wie beispielsweise Haier, der Baumaschinenhersteller Sany, sowie in der Unterhaltungselektronik, zum Beispiel Lenovo, die durch diese internationale Aktivitäten ihren Wert in der Wertschöpfungskette erhöhen konnten.

b) Chinesische Direktinvestitionen in die USA, aufgeteilt in Industrien

 

Europa

Chinas enormes Kapitalvermögen – unterstützt durch die chinesische Regierung – sucht auch nach Investionsmöglichkeiten in Europa. Steigende Investitionen chinesischer Unternehmen lassen sich auf dem europäischen Kontinent beobachten.

Chinesische Unternehmen investieren Milliardenbeträge in europäische Unernehmen und die dortige Infrastruktur. Sie bauen Autobahnen in Polen, Brücken in Serbien, Häfen in Griechenland und Industriezonen in Bulgarien. Ein prominentes Beispiel in der Automobilbranche ist die Übernahme Volvos durch den chinesischen Automobilhersteller Geely, oder der Erwerb von Technik der schwedischen Automobilmarke Saab durch einen chinesischen Automobilhersteller.

Eine neue Dimension zeichnet sich außerdem durch die wachsenden chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland ab. Insbesondere für mittelständische Unternehmen mit etabillierten Marken, Technologien und Know-how, bieten sich in Deutschland Möglichkeiten für eine vorteilhafte Zusammenarbeit für beide Seiten an.

Im Jahr 2003 hat zum ersten mal ein chinesisches Privatunternehmen ein deutsches Unternehmen aufgekauft. Die Huapeng Trading GmbH, die ausschließlich mit Druckflaschen ihrer Shanghaier Muttergesellschaft handelte, erwarb Anteile des Insolventen Druckflaschenproduzenten Welz, dessen Produkte in Feuerlöschern oder der Medizin Anwendung finden.

Unter den Namen Welz Zylinder GmbH wurden kleine Druckflaschen etwa für Trinkwasser Strudelgeräte und die medizinische Notfallversorgung hergestellt. Ergänzt wurde die Produktpalette nun mit Druckflaschen aus der chinesischen Produktion. Technologien, die chinesische Unternehmen bereits besitzen oder die durch Akquisition erworben wurden, können somit in europäischen Märkten besser plaziert werden.

Während einige Marken wie Huawei, Chinatex oder Haier aus eigener Kraft versuchen den europäischen Markt zu erobern, kaufen andere chinesische Unternehmen im Markt etablierte Unternehmen auf, um somit schneller und effizientert agieren zu können, zum Beispiel durch die Nutzung bereits existierender Vertriebskanäle. Lenovo machte zum Beispiel auf diese Weise durch den Aufkauf der PC-Sparte des amerikanischen Computerherstellers IBM auf sich aufmerksam.

Auf der einen Seite klagen internationale Unternehmen über Benachteiligungen in China gegenüber ihrer lokalen Konkurrenz, umgekehrt beklagen chinesische Investoren unfaire Regelungen hinsichtlich eines Marktzugangs nach Deutschland und der EU.

Kontinuierlich wachsende Direktinvestitionen Chinas und sensationelle Schlagzeilen, lassen die Welt glauben, dass chinesische Direktinvestitionen, die der entwickelten Länder überholt haben. Dies ist jedoch noch weit von der Wahrheit entfernt. China hat sich zwar in einigen Ländern und Industrien als wichtiger ausländischer Direktinvestor behauptet und will diese Position dort ausbauen, aber das Land ist noch weit davon entfernt alle wichtigen Marktanteile in den großen Wirtschaften erobern zu können. Das ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass China erst vor relativ kurzer Zeit mit Investitionen im Ausland begonnen hat. Schon alleine deshalb bewegt sich das Land noch auf einem relativ niedrigen Niveau und macht daher durch rasantes Wachstum und spektakuläre Investitionen Schlagzeilen.

Eines steht jedoch fest, chinesische Unternehmen stehen noch am Beginn ihrer Internationalisierung. Chinas Unternehmen rüsten sich für ihren Platz in der Welt von morgen, um ihre internationale und lokale Konkurrenzfähigkeit zu steigern.

Ersan Yükyapan ist bei Dezan Shira & Associates im Business Development tätig und beschäftigt sich unter anderem mit den Strategien der Internationalisierung chinesischer Unternehmen.

Bei Fragen zu Wirtschaftsthemen, Steuern, Buchhaltung und Unternehmensgründungen in China kontaktieren Sie bitte Herrn Richard Hoffmann (Richard.Hoffmann@dezshira.com), Herrn Olaf Griese (Olaf.Griese@dezshira.com), oder Herrn Fabian Knopf (Fabian.Knopf@dezshira.com) von dem Beratungsunternehmen Dezan Shira & Associates.