„Cultural fairness“: die Anwendung westlicher Eignungstestverfahren auf dem chinesischen Markt
Von Ferenc Acs
11. August – Die meisten Tests, welche DIN 33430 konforme Personalbeurteilungsprozesse erlauben, wurden in der westlichen Welt entwickelt. Dies liegt zum einen an der Dominanz amerikanischer Forschung in der Psychologie und andererseits daran, dass die DIN 33430 Norm aus Deutschland stammt. Ein DIN 33430 / ISO 10667 konformer Personalbeurteilungsprozess muss also zwangsläufig Testverfahren heranziehen, welche in der westlichen Welt entwickelt wurden. Das stellt Wirtschaftspsychologen, die in China tätig sein wollen vor Herausforderungen.
Psychologische Testverfahren sollten immer auf die Bevölkerung „genormt“ werden. Das bedeutet, dass eine Universität oder ein privater Herausgeber solcher Tests, einige hundert bis einige tausend Personen aus der Bevölkerung dem zu normierenden Verfahren unterziehen muss. Aufgrund einer solchen Normierung können die statistischen Kennwerte für Objektivität, Reliabilität und Validität gewonnen werden. Erfüllt ein zu normierendes Verfahren diese Gütekriterien nicht, muss das Testverfahren überarbeitet werden und einer erneuten Normierung unterzogen werden. Sie können sich denken, dass diese Prozesse sehr zeit- und kostenintensiv sind. Diese Ausgaben werden natürlich von vielen Herausgebern solcher Testverfahren gescheut und es wird trotz unerfüllter Gütekriterien das Versprechen abgegeben, dass man mit diesem einen Test beispielsweise den idealen Produktionsmanager finden kann. Darüber hinaus lässt sich ein solcher Test dann bequemerweise von den Kandidaten zu Hause online erledigen. Aus Sicht eines professionellen Wirtschaftspsychologen ist dies allerdings völliger Unsinn. Um beim letztgenannten Beispiel aus dem Straßenverkehr zu bleiben, würde das in etwa bedeuten, dass man einen zu testenden Kraftfahrer nicht in einen Fahrsimulator setzt, sondern ihn zu Hause im Wohnzimmer Spielzeugautos hin und her schieben lässt. Eine Aussage über die Eignung als Berufskraftfahrer ist damit bestenfalls sehr begrenzt möglich.
Als Wirtschaftspsychologe, der in China einen Kandidaten beurteilen soll, sieht man sich nun also mit der Herausforderung konfrontiert, Testverfahren einzusetzen, welche in der westlichen Welt entwickelt wurden. Es ist aber nicht sichergestellt, dass ein Verfahren, welches beispielsweise in Norwegen normiert wurde, auch in China dieselben Ergebnisse erzeugen wird. Das Stichwort lautet hier „cultural fairness“, also die gerechte Beurteilung von Menschen im Vergleich, hinsichtlich ihres kulturellen Hintergrundes. Es gibt zwar einige Testverfahren, die „cultural fair“ sind, jedoch sind das zu wenige, um den unterschiedlichen Anforderungen einer seriösen Personalbeurteilung gerecht zu werden.
Um eine seriöse Eignungsbeurteilung in China abzugeben, muss sich der Fachmann also damit behelfen, unterschiedlichste Testverfahren heranzuziehen und zu versuchen, die daraus gewonnenen Aussagen „cultural fair“ zu machen. Es sind jedoch tiefgehende Kenntnisse im Bereich wissenschaftlicher Forschung in der Psychologie notwendig, um zu erkennen, welche psychologischen Konstrukte man mit welchen Verfahren messen kann und wie die Ergebnisse unter der Forderung der „cultural fairness“ zu interpretieren sind.
Dies ist zumindest solange der Fall bis die in China ansässigen Universitäten oder Institutionen zur Entwicklung solcher Testverfahren dazu übergehen werden, diese so zu normieren, dass sie den Anforderungen der DIN 33430 beziehungsweise der ISO 10667 Norm genügen. Ferner müssen sich Personalbeurteiler darauf einstellen, dass ihre Entscheidungen in naher Zukunft einer kritischen Prüfung unterzogen werden können.
Erfahren Sie im dritten und letzten Teil wie man mittels psychologischen Konstrukten Personal beurteilen kann und wie Ihnen das letzten Endes hilft Kosten einzusparen.
Dr. Ferenc Acs & Cconsultants begleitet seine Kunden bei der Erstellung und Durchführung von Personalbeurteilungsprozessen. Zu weiteren Aufgabenfeldern gehören Retention Management, Research Consulting, Coaching und Organisationsentwicklung
Hier können Sie den 1. Teil und 3. Teil der dreiteiligen Serie lesen.
Bei Fragen zu Wirtschaftsthemen, Steuern, Buchhaltung und Unternehmensgründungen in China kontaktieren Sie bitte Herrn Richard Hoffmann (Richard.Hoffmann@dezshira.com), Herrn Olaf Griese (Olaf.Griese@dezshira.com), oder Herrn Fabian Knopf (Fabian.Knopf@dezshira.com) von dem Beratungsunternehmen Dezan Shira & Associates.
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